Es ist Nacht, regnet und die Fahrbahn ist nass. Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit und der Wagen kommt in einer engen Kurve ins Rutschen. In Sekundenbruchteilen registriert das ESP-System des Fahrzeugs die kritische Fahrsituation und verhindert durch gezieltes Abbremsen der einzelnen Räder ein Ausbrechen des Fahrzeugs. Statt eines schweren Unfalls nur ein Schreck in der Abendstunde.
Möglich machen diese Technologie, die wahrscheinlich schon tausende von Unfällen verhindert hat, winzige Beschleunigungssensoren, die Gierraten und Querbeschleunigungen schnell und hochgenau messen können. Diese sog. MEMS – Micro-Electro-Mechanical-Sensors, werden inzwischen millionenfach produziert und in Fahrzeuge, Messgeräte, Smartphones und viele andere Geräte eingebaut.
Die Bedeutung dieser Sensoren wird in Zukunft noch weiter steigen. Der weltweite Umsatz für diese Systeme betrug im Jahr 2011 etwa 10 Milliarden US-Dollar und wird nach aktuellen Schätzungen im Jahr 2017 auf einen Umsatz von ca. 20 Milliarden US-Dollar steigen.
Bei der Herstellung dieser teilweise sehr komplexen Bauteile ist das sog. Packaging, bei dem die MEMS mit einer Siliziumabdeckung versehen werden, ein kritischer Prozess. Durch Verspannungen des Bauteils, die durch das Packaging in die Struktur eingebracht werden, kann die Funktionsfähigkeit der Bauteile erheblich bis hin zum Totalausfall beeinträchtigt werden. Eine Prüfung der Funktion des Bauteils ist in diesem Zustand kaum möglich, da Prüfkontakte durch die Abdeckung nicht mehr zugänglich sind.
Das Konsortium im Verbundprojekt IRIS, bestehend aus Forschern, Messgeräte- und MEMS-Herstellern, hat sich zusammengefunden, um die technologischen Grundlagen für ein neuartiges, berührungslos arbeitendes Messverfahren zu erforschen, mit dem die Funktion der MEMS-Bauteile und deren Struktur durch die Siliziumabdeckung hindurch überprüft werden kann.
Um die Funktion eines MEMS zu überprüfen, soll die Sensorstruktur des Bauteils mit Laserlicht zu Schwingungen angeregt werden. Diese Schwingungen werden dann mit einem Interferometer, das mit kurzkohärenter Strahlung arbeitet, hochgenau vermessen. Dabei können im Idealfall Auslenkungen im Picometerbereich, d.h. dem Milliardsten Teil eines Millimeters, registriert werden.
Die Verwendung kurzkohärenter Strahlung hat den Vorteil, dass die Siliziumabdeckung kein Signal liefert, während die darunterliegende Siliziumstruktur des Bauteils genau vermessen werden kann. Mit diesem Verfahren ist es also möglich quasi durch die Wand der Siliziumabdeckung hindurch zu sehen.
Wenn die Arbeiten erfolgreich verlaufen, steht den Herstellern von MEMS eine völlig neue Prüfmethode zur Verfügung, mit der Fehler bei der Produktion frühzeitig erkannt und ent-sprechende Maßnahmen eingeleitet werden können, bevor Millionen von fehlerhaften Bau-teilen produziert worden sind. Dadurch ergibt sich für die Hersteller ein deutlicher Wettbewerbsvorteil.
Das Projekt IRIS (Kurzform für „Infrarotmesstechnik zur In-Line-Inspektion für gekapselte Siliziumbauelemente“) ist Anfang Juni 2015 gestartet und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative „Photonische Prozessketten“ über einen Zeitraum von drei Jahren mit rund 1,23 Millionen Euro gefördert.
Projektpartner
Polytec GmbH, Waldbronn
Cascade Microtech GmbH, Thiendorf
Robert Bosch GmbH, Stuttgart
Melexis GmbH, Erfurt
X-FAB MEMS Foundry GmbH, Erfurt
Universität Stuttgart – ITO, Stuttgart
IMMS gGmbH, Illmenau
FhG-ENAS, Chemnitz