Industrie 4.0: Potenzial der optischen Sensorik erforschen

Photonische Prozessketten
29.03.2019

Die Produktionssysteme der Zukunft müssen flexibel und adaptiv sein – und zunehmend auch autonom agieren. Eine Voraussetzung ist, dass Informationen über komplexe Zustände und Umgebungen erfasst und verarbeitet werden. Dreizehn Projekte erforschen mit der Unterstützung des BMBF das Potenzial der photonischen Sensorik für den Einsatz in der flexiblen, vernetzten Produktion.

Roboterarm über einem Karrosseriebauteil
Bild: wellphoto/Fotolia

Etwa 24 Millionen Euro stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „Photonik für die flexible, vernetzte Produktion – Optische Sensorik“ zur Verfügung. In den dreizehn Verbundprojekten haben sich Partner aus Wissenschaft und Industrie zusammengeschlossen, um das System aus optischem Sensor und der zugehörigen Datenverarbeitung ganzheitlich zu betrachten und Möglichkeiten für neue Ausbaustufen aufzuzeigen. Die Fördermaßnahme zielt klar auf Innovation und Wachstum in Deutschland. Deshalb kommt der inländischen Verwertung der Projektergebnisse eine besondere Bedeutung zu.

Die Projekte in der Übersicht

AddiLine
Laser-gestützte Inline-Überwachung der additiven Fertigung von Keramiken, Hartmetallen und Multimaterialverbunden

Das am Fraunhofer IKTS entwickelte Verfahren des „thermoplastischen 3D-Drucks“ ist eine additive und werkstoffunabhängige Fertigungsmethode für Multimaterial-Bauteile mit integrierten Funktionalitäten. Mit diesem Verfahren ist es z. B. möglich, Stahl-Keramik-Verbundbauteile additiv zu fertigen. Die Materialien werden dabei in flüssiger Form als Tröpfchen in geeigneter Lösung (Suspension) aufgebracht. Zur Gewährleistung einer hohen Prozessstabilität und Qualität der Bauteile benötigt man eine entsprechende Inline-Prozesskontrolle, die im Rahmen des Projekts zu einem Demonstrator entwickelt wird.

Kurzvorstellung des Projekts AddiLine

AMITIE
Adaptive multimodale in-line Inspektion Faserverstärkter Thermoplaste im Automobilen Leichtbau

Das Ziel des AMITIE Verbundprojekts ist die Realisierung eines geeigneten Prüfverfahrens für Halbzeuge und Leichtbaustrukturen aus Faserverbundenen Thermoplasten (FVT), das in den Produktionsprozess integriert werden kann. Das Verfahren der Wahl ist eine Kombination von Impulsthermografie und synthetischer 3D-TeraHertz-Bildgebung. Hiermit soll ein kostengünstiges Analyseverfahren etabliert werden, das die berührungslose 3D-Analyse von topologischen Fehlern (wie z. B. Faserbrüchen, Faserverschiebungen oder Schichtablösungen) in FVT-Strukturen und Bauteilen ermöglicht.

Kurzvorstellung des Projekts AMITIE

ENNOS
Eingebettete Neuronale Netze für Optische Sensoren zur flexiblen und vernetzen Produktion

Im Rahmen des Projekts ENNOS wird eine kompakte und energieeffiziente Farb- und Tiefenkamera entwickelt, also eine Kamera, die Farbbilder und gleichzeitig dreidimensionale Informationen zum Abstand von Objekten liefert. Informationen zu Farbe und 3D-Daten werden mittels sogenannter „tiefer neuronaler Netze“ verknüpft, das sind sehr vereinfachte „künstliche Gehirne“: Es wird also „künstliche Intelligenz“ zur rechnergestützten Entscheidungsfindung genutzt. Ziel ist ein besonders flexibles und leistungsfähiges optisches System, das viele neue Anwendungsmöglichkeiten im Bereich Produktion findet.

Kurzvorstellung des Projekts ENNOS

HYLAP
Hyperspektrale Prozesskontrolle in der Lebensmittel- und Agrarproduktion der Zukunft 4.0

Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung möchte hochwertige Nahrungsmittel aus verantwortungsvoll betriebener Landwirtschaft beziehen, gleichzeitig aber diese Nahrungsmittel auch preiswert einkaufen. Wer die Herstellungskette von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln kennt, kann die Herstellung an den Stellen verbessern, wo der größte Nutzen für alle entsteht. Die Projektpartner im Verbund HYLAP haben sich gefunden, um mit ihrem spezifischen Fachwissen die Prozesskette eben dieser verantwortungsbewussten Herstellungskette im wahrsten Sinne zu durchleuchten. Durch präzise Messung des Aufwuchses kann die Nährstoffversorgung der angebauten Pflanzen gezielt kontrolliert und nachfolgend durch den Einsatz digital gesteuerter Landtechnik optimiert werden.

Dabei betreut das Projekt alle beteiligten Arbeitsvorgänge von der Aussaat bis zur Ernte. Ziel ist, neue Messverfahren für die Landwirtschaft anzubieten, die Energie einsparen und die Verwendung von Düngemengen und Pestiziden verringern können, ohne den Ertrag zu schmälern.

Kurzvorstellung des Projekts HYLAP

IntelliOptCPQS
Intelligentes und vernetztes Inline-System zur optischen Überwachung und Qualitätssicherung von Oberflächenmerkmalen am Beispiel der Filterherstellung

Bei dem Projekt IntelliOptCPQS handelt es sich um die Erforschung und Entwicklung eines vernetzten, optischen Systems zur intelligenten Produktions- und Qualitätsüberwachung bei der Herstellung von Keramikfiltern auf Basis von Schaumstoffen. Dabei sollen Schaumrohlinge fotografiert und vom System automatisch auf deren Schaumstruktur und andere Qualitätsmerkmale untersucht werden. Dies geschieht ebenso für alle nachfolgenden Produktionsschritte. Dadurch soll am Ende ein ganzheitliches Verständnis des Herstellungsprozesses geschaffen werden. Zusätzlich wird die Möglichkeit der lückenlosen Nachverfolgung eines Rohlings vom Schaumstoffblock bis zum fertigen Keramikfilter angestrebt.

Kurzvorstellung des Projekts IntelliOptCPQS

LARA
Lasermessverfahren für die vernetzte Produktion: Lasermikromaterialbearbeitung

Die Mikrobearbeitung von Werkstücken mit Laserstrahlung ist ein etabliertes Verfahren, dass vielfach eingesetzt wird. Derzeit muss die Bearbeitungsanlage speziell für das zu bearbeitende Werkstück eingerichtet werden und die Bearbeitungsparameter wie Laserleistung und Vorschubgeschwindigkeit müssen teilweise im Rahmen von Vorversuchen ermittelt werden. Durch die Ausstattung mit entsprechenden Sensoren könnte die Maschine in die Lage versetzt werden, die Geometriedaten des Werkstücks selbst zu erfassen und sich entsprechend einzurichten. Während der Bearbeitung soll dann die Laserleistung und die Bearbeitungsgeschwindigkeit aufgrund der Messdaten ständig angepasst werden, um ein optimales Bearbeitungsergebnis zu erzielen.

Kurzvorstellung des Projekts LARA

Leckstop
Leckanalyse mittels spektraler Thermographie in der Produktion

Innerhalb des Vorhabens soll ein kostengünstiges kameragebundenes System zur Bewertung von Gasleckagen (sowohl die Position als auch die Rate der Undichtigkeit) erforscht werden. Eine gegenüber Standardprüfgeräten intelligente und variable Datenanalyse sowie eine Ansteuerung der Fluide, mit denen das Prüfteil gefüllt wird, soll dazu führen, dass auch geringere Leckagen erfasst werden können oder sich die Prüfzeit reduziert. Es erfolgt zudem ein Datenaustausch mit der Anlage, sodass sich der Prüfprozess von selbst an die Prüfsituation und die auftretenden Leckagen anpasst.

Kurzvorstellung des Projekts Leckstop

MultiFlexInspect
Multifunktional-skalierbare generische InlineInspektion für flexible Fertigungsprozesse in vernetzten Produktionsanlagen

Individualisierte, auf personifizierte Kundenbedürfnisse ausgerichtete Produkte sind in den kommenden Jahren eine DER technologischen Herausforderungen für die deutsche Industrie. Denn bei der Individualisierung klassischer, vorwiegend von Halbzeugen ausgehender Produktion stößt man an Grenzen. Verfahren zur schnellen und kostengünstigen Fertigung (Additive Manufacturing) können dazu beitragen, dass das Individualisierungsniveau von Produkten weiter gesteigert wird und gleichzeitig ökonomische und ökologische Vorteile erreicht werden. Daraus resultieren neue Herausforderungen für die fertigungsbegleitende (inline) Qualitätssicherung. Vor diesem Hintergrund hat sich das Projekt MultiFlexInspect zum Ziel gesetzt, eine multi-funktionale Inspektionstechnologie zu erforschen und systemtechnisch zu demonstrieren, mit der 3D-Form und Maße sowie Farben und Oberflächenbeschaffenheiten eines Produktes in einem Arbeitsgang, inline und kosteneffizient bewertet werden können.

Kurzvorstellung des Projekts MultiFlexInspect

OPALID
Optical Phased Array LiDAR

Zur erfolgreichen Umsetzung von Industrie 4.0 sind spezialisierte Sensorsysteme notwendig, die komplementäre Informationskanäle bedienen und/oder durch Redundanz sichere Systeme ermöglichen. Besondere Bedeutung kommt der Tiefeninformation zu, da nur durch sie ein vollständiges dreidimensionales Bild der Umwelt erzielt werden kann. Sogenannte LiDAR- (Light Detection And Ranging) Systeme werden seit Jahren eingesetzt, um die Tiefeninformation zu gewinnen. Aktuelle Systeme sind jedoch bauartbedingt zu groß und zu teuer für den massenhaften Einsatz und durch rotierende Sende- und Empfangseinheiten zu erschütterungsanfällig für den Betrieb in schnell bewegten Systemen wie beispielsweise Robotern. Ziel des Verbundprojekts OPALID ist die Erforschung und Entwicklung der neuen Basistechnologien zur Realisierung kleiner, robuster und preiswerter LiDAR-Systeme ohne bewegliche Teile.

Kurzvorstellung des Projekts OPALID

ProIQ
Adaptive, prozessübergreifende Qualitätsregelkreise mittels photonischer Sensoren zur Identifikation und Qualitätsmessung von Hochpräzisionsbauteilen

Die Möglichkeit über mehrere Fertigungsschritte und werksübergreifend in Produktionsprozesse regelnd eingreifen zu können, stellt einen wichtigen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen dar. Speziell bei hochpräzisen Einzelteilen kann durch adaptive Regelung der Prozesse die Prozessfähigkeit gesteigert werden. Dies führt zu steigender Qualität bei gleichzeitig verbesserter Ausbringung. Voraussetzungen, um solche Regelkreise zu implementieren, sind die fertigungsnahe Messung der kritischen geometrischen Merkmale an allen Bauteilen sowie die anschließende eindeutige Identifizierung, um eine Rückverfolgbarkeit über die gesamte Prozesskette bis hin zur Baugruppen- und Endmontage sicherzustellen.

Das Projekt „ProIQ“ setzt hier mit der Entwicklung modularer Lösungen zur prozessintegrierten Applikation eines optischen 3D-Fokus-Varianten-Verfahrens sowie der bauteilindividuellen Messwertspeicherung an. Dazu sollen die FingerPrint-Technologie eingesetzt und die Systeme exemplarisch in zwei Prozessketten implementiert werden.

Kurzvorstellung des Projekts ProIQ

RoKtoLas
Robotergeführte, scannerbasierte optische Kohärenztomografie für das Remote-Laserstrahlschweißen zur Flexibilisierung von Prozessketten im Karosseriebau

Das übergeordnete Ziel des Vorhabens RoKtoLas ist ein Innovationssprung hinsichtlich der flexiblen Produktion von Rohkarossen. Dies soll durch eine Technologiesubstitution im Bereich der Fügetechnik erreicht werden, wobei das konventionelle Widerstandspunktschweißen durch das Remote-Laserstrahlschweißen ersetzt werden soll. Dazu wird ein Technologiekonzept angestrebt, in dessen Mittelpunkt die optische Kohärenztomografie als zentrale, einzigartige Sensoreinheit für das Remote-Laserstrahlschweißen genutzt wird. Dieses neue optische Sensorikkonzept ermöglicht eine umfangreiche Prozessdatengenerierung im Sinne der vernetzten Produktion und stellt zudem die Voraussetzung für die Umsetzung einer flexiblen Fertigung dar. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen am Ende des Projekts im Rahmen eines Funktionsdemonstrators einer flexiblen Fertigungszelle zusammengeführt werden.

Kurzvorstellung des Projekts RoKtoLas

SeHer
Sehende Herstellung

Das Projekt SeHer zielt darauf ab, photonische Sensorik durchgängig und in großem Umfang in der Produktion einsetzbar zu machen und die entstehenden Informationen zu vernetzen. Damit entstehen Produktionsketten, die schnell und selbststeuernd auf Abweichungen, Produktänderungen und Änderungen im Produktionsablauf reagieren können. Dies erlaubt es, die Wirtschaftlichkeit der Produktion in Deutschland insbesondere in der hier weitverbreiteten variantenreichen Serienproduktion durch Reduktion von Stillständen und Fehlern sowie Beschleunigung von Produktionsanläufen erheblich zu verbessern.
Ziel des Projekts ist es, eine große, konzeptionell nicht beschränkte Anzahl von photonischen Sensoren in der industriellen Produktion miteinander in einem verteilten System zu vernetzen. Die Auswertung der Sensordaten erfolgt dabei ebenfalls in diesem verteilten System. Hierdurch ist es möglich, die entstehenden Daten im gegenseitigen Bezug auszuwerten und nachfolgenden Prozessschritten zur Verfügung zu stellen.

Kurzvorstellung des Projekts

ULTRABEST
Erforschung einer ultraschnellen Bestückungstechnologie für elektronische Bauteile

In der Elektronikfertigung sind Bestückungsprozesse allgegenwärtig. Die fortschreitende Miniaturisierung führt zu immer kleineren Bauteilen, die auf Trägersubstrate aufgebracht und kontaktiert werden müssen. Die Bestückung geschieht heute im Wesentlichen rein mechanisch, was Einschränkungen sowohl der minimal möglichen Bauteilgrößen als auch der Bestückungsrate mit sich bringt. Im Projekt ULTRABEST soll der Schritt hin zur optisch induzierten Bestückung gemacht werden. Die neuartige Bestückungstechnik, integrierte optische Online-Sensorik und selbstlernende Steuerungskonzepte ermöglichen eine sehr viel schnellere Bestückung, die auch für kleinste Bauteile geeignet sein wird und zudem sehr flexibel per Software auf unterschiedlichste Bauteilabmessungen eingerichtet werden kann.

Kurzvorstellung des Projekts ULTRABEST