Frau Xu, wie und wann kam es zur Gründung Ihres Unternehmens Nanoscale Glasstec?
Einer der Erfinder unserer Mikrospiegelarray-Technologie ist Professor Hartmut Hillmer. Er hatte schon länger die Vision einer wirtschaftlichen Verwertung dieser Plattformtechnologie im Bereich Gebäudeglas. Aber wie bei allen bahnbrechenden Deep Techs brauchte es dafür eine ganze Menge Finanzmittel. Es gab schon vor 2017 einige Förderprojekte zu diesem Thema, beispielsweise von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Hessen Agentur und der EU, welche für die Grundlagenforschung an der Universität Kassel von großer Bedeutung waren. DBU und EU unterstützen uns auch heute noch flankierend. 2017 erhielt das Forschungsteam dann über den sogenannten Photonikinkubator mit 1,5 Millionen Euro eine recht große Förderung und das Projekt Nanoscale ging an den Start. Zu diesem Zeitpunkt bin auch ich eingestiegen. In diesem Projekt konnten wir zunächst einen kleineren Funktionsdemonstrator entwickeln. Um unsere Technologie für Gebäude zu realisieren, braucht man aber natürlich deutlich größere Formate.
Während des Nanoscale-Projekts haben wir daher viele Gespräche mit potenziellen internationalen Investoren geführt, die uns sehr ermutigt haben. Daraufhin haben wir im Herbst 2019, gegen Ende der Förderlaufzeit von Nanoscale, entschieden, ein Unternehmen zu gründen. Dieser Schritt war recht ungewöhnlich, denn normalerweise gründet man Unternehmen ja erst, wenn man sich bezüglich der Finanzierung und der Investoren sicher ist. Wir waren hier sehr mutig, aber uns waren die Risiken und Herausforderungen natürlich dennoch sehr bewusst.
Was ist die Unternehmensidee, worum geht es?
Es gibt auf dem Markt bereits verschiedene technologische Ansätze für Smart Glass, also für Glas, mit dem man aktiv die Lichtdurchlässigkeit steuern und somit beispielsweise die Beleuchtung in Räumen regeln kann. Die bisher für den Gebäudebau verfügbaren Technologien sind aber alle entweder für den Winter oder für den Sommer optimiert und somit nicht in der Lage, über das ganze Jahr gute Leistungen zu bringen. Außerdem gibt es oft Sicherheitsprobleme beispielsweise bei Stromausfall, da die meisten Ansätze auf dem Anlegen elektrischer Spannung an das Glas basieren.
Unser Smart Glass dagegen basiert auf Millionen von Mikrospiegeln, die in Isolierungsverglasung in Edelgas oder Vakuum integriert werden. Diese Mikrospiegel sind für das bloße Auge unsichtbar, sie können elektrisch angesteuert und auf diese Weise ausgerichtet werden. Diese Technologie wird bisher nur im Kleinen angewendet, wir möchten sie gerne in die Anwendung auf großen Flächen, nämlich der Verglasung von Gebäuden, bringen. Damit können wir das einfallende Sonnenlicht gezielt umlenken bzw. reflektieren – beispielsweise anhand der Tages- und Jahreszeit, der Sonnenposition oder auch der individuellen Aktivitäten und Wünsche der Nutzerinnen und Nutzer. Das ermöglicht zum Beispiel kostenlose Sonnenwärme im Winter und Schutz vor Überhitzung im Sommer und kann eine Menge Energie sparen für Kühlung, Heizung und Beleuchtung. Das mehr an Tageslicht und natürlicher Wärme hat gleichzeitig auch gesundheitliche Vorteile für die Menschen. Diese Vision möchten wir zur Marktreife bringen.
Sie haben bereits den Photonikinkubator erwähnt, über den Nanoscale von 2017 bis 2019 gefördert wurde. Können Sie kurz erklären, worum es dabei ging?
Der Photonikinkubator war ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Land Niedersachsen finanziertes Förderinstrument, das gezielt als Inkubationsprojekt gedacht war. Ziel war es, einen Demonstrator zu realisieren und daran einige grundlegende Funktionsprinzipien zu bestätigen wie etwa die Kompatibilität mit dem gängigen Fensterbau. Insgesamt hat das Projekt Nanoscale die Machbarkeit unserer technologischen Idee experimentell belegt und somit den Grundstein gelegt, überhaupt die Nanoscale Glasstec GmbH gründen zu können. Wir hatten damit einen geschützten Raum, in dem wir ausprobieren und experimentieren konnten, ohne dass es bereits ein Unternehmen geben musste, wie es bei anderen Förderungen oft Voraussetzung ist.
Seit einigen Monaten läuft nun Ihr Projekt Sunniness, das ebenfalls vom BMBF gefördert wird. Was ist das Ziel dieses Projekts und wo stehen Sie mit Ihrem Unternehmen aktuell?
Mit dem Projekt Sunniness möchten wir die Skalierbarkeit unserer Technologie auf größere Maßstäbe bestätigen. Das ist zwingende Voraussetzung, damit zukünftig auch mehr private Investoren in unser Unternehmen und unsere Idee investieren. Wir als kleines Start-up verfügen bisher natürlich nicht über große Anlagen. Diese brauchen wir aber, um unsere Technologie in größerem Format umzusetzen und zu prüfen. Im Projekt Nanoscale haben wir die Anlagen und Labore der Universität Kassel genutzt. Die Kapazitäten dort reichen aber nur für unseren kleineren Funktionsdemonstrator und nicht für die größeren Maßstäbe, die wir jetzt brauchen. Daher konzentrieren wir uns aktuell auf die Suche nach Kooperationspartnern, die mit uns gemeinsam geeignete Maschinen für unser Vorhaben entwickeln und bauen. Unser langfristiges Ziel ist es, einen Produktionsstandort für den europäischen Markt aufzubauen.
Gleichzeitig erreichen uns immer mehr Anfragen für mögliche Anwendungen in anderen Bereichen, denn unser Ansatz ist eine Plattformtechnologie. Sie ließe sich außer in Gebäuden beispielsweise auch in Zügen, Flugzeugen und im Auto oder auch in Mobilsystemen nutzen. Dafür suchen wir gerade weitere Partner und auch zusätzliche Mitarbeitende, die diese Anwendungsfelder bei uns im Unternehmen vorantreiben. Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aufzubauen, um weitere Anwendungsbereiche unserer Technologie zu erforschen.
Inwieweit ist die öffentliche Förderung konkreter Forschungsprojekte wichtig für die Gründung von Unternehmen und die Entwicklung neuer Ideen?
Für bahnbrechende Deep Tech Innovationen, die oft an Universitäten entstehen, ist der Weg von einer Idee bis zum marktreifen Produkt ohne öffentliche Förderung eigentlich unmöglich. Spätestens wenn es darum geht, eine Technologie hoch zu skalieren, ist der Bedarf an technischer Ausstattung, Material und Infrastruktur und auch dem passend qualifizierten Personal enorm. Dafür braucht man ausreichende Finanzmittel, gleichzeitig ist aber auch das Risiko entsprechenden hoch. Investoren aus der Industrie steigen zu diesem Zeitpunkt aber in der Regel noch nicht ein, denn sie wollen zuerst die Skalierbarkeit der Technologie gezeigt bekommen. Außerdem wollen sie feste Zusagen darüber, dass ein Produkt spätestens nach ein paar Jahren marktfähig und gewinnbringend ist. Das lässt sich aber bei Deep Tech wie unserer meist nicht sicher voraussagen. Deshalb ist öffentliche Forschungsförderung, die bewusst zu diesem frühen Zeitpunkt schon einsetzt, eigentlich die einzige Möglichkeit für Start-ups wie uns.
Was hat Sie persönlich zur Gründung motiviert bzw. motiviert Sie für die kommenden nächsten Schritte?
Als ich 2017 in das Projekt eingestiegen bin, kannte ich die Technologie noch nicht wirklich. Ich habe BWL studiert und kam daher mit einem ganz anderen Hintergrund ins Unternehmen. Mit der Zeit habe ich die Technologie immer besser verstanden und die enormen Vorteile erkannt, die sie für Gesellschaft und Klima haben könnte. Selbst einen Teil dazu beizutragen, dass Menschen in Zukunft in Smart Green Cities glücklich leben könnten und dabei das Klima geschont wird, ist eine riesige Motivation für mich. Gleichzeitig reizt es mich, etwas scheinbar Unmögliches möglich zu machen und an der Entwicklung einer bahnbrechenden Technologie beteiligt zu sein.