Mit dem Kick-Off Meeting am 20. Juli fiel der Startschuss für das Forschungsverbundprojekt „POCT zur Unterscheidung bakterieller/viraler Infektionen der oberen Atemwege mittels zeitaufgelöster Fluoreszenz - BaViFlu“. Ziel des Verbunds, bestehend aus den Unternehmen Helmut Hund GmbH und R-Biopharm AG sowie der Fachhochschule Münster und der CAPNETZ STIFTUNG ist, dem ambulanten Sektor eine schnelle und günstige Diagnostik zur Verfügung zu stellen, die eine Entscheidungshilfe bei der Antibiotikaverordnung gibt.
Der Verbrauch von Antibiotika liegt in Deutschland in der Humanmedizin bei 700-800 Tonnen jährlich. 85 % dieser Menge werden im ambulanten Sektor des Gesundheitswesens verbraucht. Das entspricht 38 Millionen Verordnungen mit >380 Millionen Tagesdosen. Die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit herausgegebene Studie GERMAP 2015 zeigt eindrucksvoll, dass im ambulanten Sektor jahreszeitlich bedingt starke Unterschiede in der Häufigkeit der Antibiotikaverschreibung zu beobachten sind.
Die Erklärung für diese Beobachtung sind Antibiotika, die zur Behandlung von Atemwegsinfektionen in der kalten Jahreszeit eingesetzt werden. Gleichzeitig ist bekannt, dass bis zu 90 % der Atemwegsinfektionen keine Indikation für eine Antibiotikabehandlung darstellen. Hier ergibt sich ein sehr großes Potenzial für die Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs, welches durch entsprechende diagnostische Verfahren begleitet werden könnte.
Spezifisches Nachweisverfahren für die Point of Care-Diagnostik
An dieser Stelle setzt das Projekt BaViFlu an. Ziel des Projektes ist es, dem ambulanten Sektor eine POC (Point of Care)-Diagnostik zur Verfügung zu stellen, die eine Entscheidungshilfe bei der Antibiotikaverordnung gibt. Im Zentrum des Projektes steht die Frage: „Welcher Patient profitiert von einer Antibiotikatherapie?“. Hierzu werden zwei mögliche diagnostische Ansätze im Projekt verfolgt.
Da ungefähr 90 % der Atemwegsinfektionen viral bedingt sind, ist es möglich, diese Patienten über einen spezifischen Nachweis viraler/bakterieller Nukleinsäuren in einem Nasenabstrich von der Antibiotikabehandlung aus-/einzuschließen. Zusätzlich sollen über das Verhältnis zweier Biomarker im Serum/Plasma der Patienten virale von bakteriellen Infektionen unterschieden werden. Für beide diagnostischen Ansätze wird die Teststreifentechnologie zum Einsatz kommen, die sowohl für den Nachweis von Nukleinsäuren, als auch für den multiplexen Nachweis von Biomarkern eingesetzt wird.
Als Detektionsprinzip kommt eine für POC-Systeme bisher wenig erforschte Methodik der Biophotonik zum Einsatz, die zeitaufgelöste Messung der Lumineszenz von Seltenerd-Ionen. Dieses Detektionsprinzip vereint hohe Sensitivität bei geringer Störanfälligkeit durch Matrixeffekte. Die Entwicklungstiefe im Projekt umfasst dabei die Herstellung fluoreszierender Selten-Erd-Partikel, die Entwicklung entsprechender Bioassays auf Teststreifenbasis als auch die Entwicklung eines entsprechenden Teststreifenlesegerätes. Die entwickelten Lösungen werden zusammen mit klinischen Partnern der CAPNETZ STIFTUNG als Teil des Projektvorschlags klinisch erprobt.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das BaViFlu-Projekt für die Dauer von 3 Jahren im Rahmen der Bekanntmachung „Photonische Systemlösungen für Medizin und Biotechnologie“ mit 2,9 Millionen Euro. Das im Juni gestartete Projekt läuft voraussichtlich bis Ende Mai 2020.