KLASSE
Kombinationsverfahren zum Laserschneiden und zur lokalen Laserentfestigung von Bauteilen aus hochfesten pressgehärteten Stählen
Von der Manufaktur zur Serienfertigung - Photonische Werkzeuge für den Leichtbau
Der effiziente Umgang mit begrenzten Ressourcen ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Vor diesem Hintergrund finden in der Verkehrsindustrie, insbesondere der Automobil- und Luftfahrtindustrie, Leichtbaukonzepte heute schon vielfach Anwendung. Um jedoch einen breiten Einsatz von Leichtbaumaterialien zu erreichen, fehlt es derzeit für eine Vielzahl neuer Materialien noch an geeigneten Bearbeitungs-, Prüf- und Messverfahren, um eine wirtschaftliche, flexible und automatisierte Fertigung in der Großserie umsetzen zu können. Photonische Verfahren bieten hier Lösungen: Die hohe Flexibilität und insbesondere die berührungslose, verschleißfreie Wirkungsweise des Lasers bietet Vorteile für die Bearbeitung von Werkstoffen, deren konventionelle Bearbeitung mit einem hohen Werkzeugverschleiß einhergeht. Die Möglichkeit der lokalen und für die jeweilige Fertigungsanforderung maßgeschneiderten Energieeinbringung eröffnet für die Bearbeitung temperatur-empfindlicher Werkstoffe neue Möglichkeiten. Mit der Fördermaßnahme „Photonische Verfahren und Werkzeuge für den ressourceneffizienten Leichtbau“ im Rahmen des Programms „Photonik Forschung Deutschland” verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Ziel, bestehende Hemmnisse bei der breiten Einführung von Leichtbaumaterialien in die Großserienfertigung zu überwinden. Für die Forschungsarbeiten in insgesamt 12 Verbundprojekten stellt das BMBF insgesamt knapp 30 Mio. € zur Verfügung.
Neue Leichtbaukonzepte durch den Einsatz höchstfester Stähle im Automobilbau
In der Automobilindustrie sind aufgrund ökonomischer, ökologischer wie auch politischer Zwänge Maßnahmen zum effizienteren Energieeinsatz gefordert. Eine wichtige Stellschraube ist die Reduzierung des Fahrzeuggewichts, wobei gleichzeitig die Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit steigen. Um dies zu erreichen, werden zunehmend Bauteile aus press-gehärteten hochfesten Stählen eingesetzt. Diese Stähle erreichen bei einer geringeren Blechstärke und damit geringerem Gewicht ein gleich gutes oder sogar verbessertes Crashverhalten von PKW-Strukturen, wie zum Beispiel B-Säulen oder seitliche Schweller. Die hohe Festigkeit der Werkstoffe erfordert jedoch auch neue Fertigungsverfahren zur Weiterverarbeitung der Bauteile. In dem Verbundprojekt KLASSE sollen neue Verfahren zum Einsatz höchstfester Stähle im Automobilbau untersucht werden.
Gewichtseinsparungen durch lasergestützte Hybridverfahren
Das Beschneiden und Fügen sind wichtige Verfahren zur Verarbeitung höchstfester Stähle. Der Beschnitt erfolgt im Wesentlichen durch Laserschneiden, da mechanische Verfahren zu raschem Werkzeugverschleiß führen und sehr hohe Schnittkräfte erforderlich sind. Das Fügen kann nur noch durch Punktschweißen (und damit nur mit Stahl als Fügepartner) erfolgen, mechanische Verfahren wie Clinchen oder Stanznieten (und damit eine hybride Leichtbauweise) sind wegen der geringen Duktilität (bzw. hohen Sprödigkeit) nicht mehr möglich. Die thermischen Verfahren weisen zudem Nachteile auf. Beim Laserschneiden entstehen extreme Aufhärtungen in der Randzone der Schnittkante, beim Punktschweißen entsteht eine entfestigte Wärmeein usszone um den Schweißpunkt. Beide Effekte be- einträchtigen die Crasheigenschaften des Bauteils. Eine lokale Entfestigung durch Wärmebehandlung der Bauteile an Schnittkanten und in Fügezonen kann hier Abhilfe schaffen. Ein zusätzlicher Prozessschritt verursacht jedoch zusätzliche Kosten, die zu minimieren sind. Aus ökonomischen Gründen ist es daher sinnvoll, die Wärmebehandlung mit dem Schneidprozess zu kombinieren.
Das Ziel dieses Verbundprojekts ist daher die lokale Laserentfestigung pressgehärteter Bauteile im Automobilbau zur Erhöhung der Crashperformance der Bauteile, zur Minimierung der Anzahl von Schweißpunkten und der Flanschbreite, zur Vermeidung konstruktiver Einschränkungen bei der Bauteilgestaltung, als notwendige Voraussetzung für das mechanische Fügen bei Hybridbauweise und zur Erweiterung der Werkstoffpalette hin zu Stählen mit Festigkeiten bis 1900 MPa. Dieses Ziel soll mittels einer hybriden Laserstrahlquelle, eines hybriden Schneid-Wärmebehandlungs-Kopfes in einer Anlage erreicht werden. Die Schnittkanten sollen dabei simultan mit dem Schneidprozess wärmebehandelt werden. Die Wärmebehandlung der Fügezonen erfolgt vor oder nach dem Beschnitt. Die Werkstoffeigenschaften der entfestigten Zonen werden durch metallografische Analysen und Zugversuche untersucht und mit den Verfahrensparametern korreliert. Das Fügen der entfestigten Zonen wird an einfachen Modellgeometrien untersucht. Das Crashverhalten wird anhand von ausgewählten Demonstratorbauteilen durch Simulation und in Crashtests analysiert.
Die Ergebnisverwertung erfolgt durch alle beteiligten Partner in Ihren jeweiligen Marktsegmenten. Arnold und Laserline erweitern ihr Portfolio für Strahlquellen und Werkzeugmaschinen insbesondere für Anwendungen im Automobilbau. Die Zulieferer und OEMs werden die Ergebnisse für die Umsetzung in der Fertigung warmumgeformter Bauteile nutzen. Bei erfolgreicher Umsetzung ist auch die Erweiterung auf Fahrwerksteile von Interesse. Thyssen-Krupp kann die neuen Stahlgüten bis 1900 MPa für Karosserieteile anbieten. Durch die Beteiligung von Bilstein ist zudem sichergestellt, dass auch Anwendungen außerhalb des Automobilsektors adressiert werden. Das Fraunhofer-ILT wird die Ergebnisse des Hybridverfahrens für neue Projekte zum Laserschweißen mit simultaner Wärmebehandlung nutzen, z.B. für das Schweißen härtbarer Stähle.